Bericht Paris Roubaix

Bericht Paris Roubaix

17. April 2016 Aus Von RSDD

In der Hölle des Nordens!

Ich habs geschafft!! Zwar langsamer als erwartet, aber ich bin ohne Sturz bei Paris-Raubaix durchgekommen, was insbesondere auf den Pavès nicht ganz einfach war.
 

Schon seit vielen Jahren liebäugle ich mit einer Teilnahme bei diesem Radklassiker. Dieses Jahr sollte es endlich soweit sein. Statt einem Radtrainingslager auf Malle oder sonst wo sollte ein zweiwöchiger Urlaubsaufenthalt Anfang Februar auf  Sri Lanka, das ich mit dem Touren-Radl bereisen wollte, die nötige Grundlage für dieses Unterfangen bringen. Dort brachte ich aber gerade mal 850 Radkilometer zusammen – der Urlaubsgedanke stand doch mehr im Vordergrund. Nach meiner Rückkehr gings auch nur tröpfenweise mit dem Radtraining weiter. Nachdem die Langlaufsaison auch ziemlich ausgefallen war, war ich etwas in Trainingsrückstand und fühlte mich nicht so fit. Zwei Läufe im Januar und Anfang April bestätigten dies. Nun ja, wenigstens hatte ich Ende März beim Brevet über 216 km in Treuchtlingen ein kleines Erfolgserlebnis, wo ich mich bei richtig guten Radfahrern festbeißen konnte und unter den ersten sechs ankam.

 
Meinen Radkumpel Raimund aus Bad Krozingen, den ich bei P-B-P kennen lernte und mit ihm zusammen zwei Drittel der Strecke gemeinsam zurück legte, konnte ich auf dieses Event neugierig machen und zu einer Teilnahme überzeugen. So machte ich mich am Freitagmorgen, 08.04.16, mit dem Zug auf den Weg nach Offenburg. Dort wurde ich von Raimund am Bahnhof abgeholt und mit dem Auto gings weiter nach Roubaix, wo auch die Startunterlagenausgabe statt fand. Für die Amateure war die Strecke zuerst als Rennen ausgeschrieben. Dieses Ansinnen wurde dann jedoch wieder zurück genommen, da zu viel Stürze bei einem gemeinsamen Start drohten. So wurde ein Zeitfenster festgelegt, in der die weit über 1000 Radler die Langstrecke über 172 km in Angriff nehmen sollten. Mindestens 5000 Radbegeisterte sollten später bei den kürzeren Strecken noch dazu kommen. Bereits um vier Uhr in der Früh weckte uns der Wecker. Nach einem kurzen Frühstück bestiegen wir einen der vielen Busse, der uns ca. 100 km weiter zum Startort nach Busigny bringen sollte. Leider trafen wir dort erst sehr spät ein und bestimmt die Hälfte der Startberechtigten waren bereits losgeradelt. Darüber war ich doch etwas frustiert, da ich hochmotiviert angereist war und voll reinhalten wollte, um doch halbwegs mit den Besten mitzuhalten. Dieses Vorhaben war schon mal durchkreuzt. Nichtsdestotrotz legte ich von Anfang an voll los und flog an den ersten Gruppen nur so vorbei. Raimund war dieses Tempo zu hoch und ließ bereits nach 5 km abreißen. Nun ja, irgendwo auf der Strecke hätten wir uns sowieso verloren und so passierte es halt schon früher als erwartet.
 
Aufgrund von Regen in der Nacht war die erste Hälfte der 27 Pavès, die in 5 Kategorien von * – ***** je nach Schwierigkeitsgrad eingeteilt waren, sehr schwierig zu fahren. Insbesondere im Wald von Arenberg, einem der härtesten Pave-Abschnitte über 3 km, war das Kopfsteinpflaster unglaublich glatt, so als hätte jemand Schmierseife darauf verteilt. Zudem unglaublich ruppig zu fahren, mit riesigen Spalten zwischen den Steinen und links und rechts abfallend. Nur mit viel Glück konnte ich dort kurz nacheinander zwei Stürze vermeiden. Da überkam mich richtig die Angst (ja, auch ich kenn solche Gefühle!). Kurz darauf schlug dann der Pannenteufel zum ersten Mal zu – Plattfuß hinten. Zwei weitere am Vorderrad an anderen Kopfsteinpflasterpassagen sollten folgen!! Eine spätere Untersuchung ergab jedesmal einen sog. „snake bite“. Trotz einem Druck von 6 1/2 bar hatte der eine oder andre Plasterstein doch zu einem Durchschlag geführt. Entweder war ich zu schnell über das Pave geschruppt oder ich bin mit meinen aktuell 83 kg einfach zu schwer. Ich tentiere zum zweiten Punkt. Dazu verrutschte mir aufgrund der krassen Rüttelei der Sattel und ich saß auf dem Bike wie der Affe auf dem Schleifstein.  Das warf mich natürlich weit zurück, nagte an der Motivation und brachte mir einen Zeitverlust von gut einer Stunde ein. Erschwerend kam im zweiten Streckenabschnitt dazu, daß dort die vielen tausend Teilnehmer der verkürzten 142 km und 45 km Runden zusammen trafen. Da wurde es natürlich sehr eng auf den schmalen, eigentlich nur noch landwirtschaftlich genutzten Sträßchen. Trotzdem schaffte ich die 172 km gerade noch unter 7 Stunden. Ein Highlight war am Schluß die Einfahrt ins ehrwürdige Freilichtlicht Velodrome in Roubaix, in dem auch die Profis am nächsten Tag die Entscheidung suchen sollten. Obwohl ich ziemlich kaputt von den Anstrengungen war, fühlte ich eine große Freude, die Königin der Radklassiker bestanden zu haben. Damit war ich meinem kleinen Lebenstraum weiter nahe gekommen, die berühmtesten Eintagesrennen zu erstrampeln. Nach Mailand-San Remo, Flandernrundfahrt, Paris-Roubaix und Amstel-Gold-Race fehlen jetzt nur noch die Rennen bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und Lombardei-Rundfahrt. Diese stehen in den nächsten Jahren auf meiner Agenda.
Raimund hatte nicht ganz so viel Glück. Zwei Stürze (mit stark geprelltem Daumen) und ein kaputtes Vorderrad, das erst nach zeitaufwendigem Zentrieren eine Weiterfahrt ermöglichte, zeigten die Härte der Rundfahrt. Trotzdem schaffte auch er es ins Ziel.
 
Am darauffolgenden Tag wollten wir beide als Zuschauer die Profis dabei beobachten, ob sie es besser können. Trotz Regen in der Nacht war die Strecke trockener zu befahren als am Vortag, weshalb es relativ wenig Stürze gab. Im Wald von Arenberg sollte unser erster Standort sein, den wir nach 35 km Radfahrt rechtzeitig erreichten. Als die ersten Gruppen an uns vorbei flogen, hatte uns wie die vielen anderen Zuschauer das Radsportfieber voll erwischt. Die Stimmung war frenetisch, das Tempo der Profis verrückt hoch. Erst wenn man die unglaublich harten Schläge des Kopfsteinplasters selber erlebt hat, kann man beurteilen, was diese leisten. Danach wieder sofort auf die Räder gehüpft und die 35 km mit Vollgas über Nebenstrecken zum Pave Nr. 4 geradelt, um hier auf einer 5* Kopfsteinpflasterpassage die mögliche Entscheidung mitzuerleben. Von dort bis zum Ziel waren es ja nur noch knapp 20 km. Auch hier wieder tausende von Fans, vorrangig aus Frankreich und Belgien, die eine unglaubliche Radbegeisterung an den Tag legten. Nachdem kurz darauf Tom Boonen den Zielsprint im Veledrome gegen seinen australischen Gegner verloren hatte und nur als Zweiter über die Ziellinie rollte, war die Enttäuschung bei den vielen belgischen Zuschauern natürlich riesengroß. Auch ich hatte auf einen Sieg von ihm gehofft.
 
Noch am selben Abend fuhren wir mit`m Auto zurück nach Bad Krozingen, wo ich bei meinem Radkumpel die Nacht verbrachte. Nachdem das Wetter gut war und ich noch frei hatte, radelte ich zum Abschluß des ereignisreichen Wochendendes die gut 200 km zurück nach Günzburg. Jetzt sollte es aber auch mir reichen!